Die Bautruppe

Der Bau des ersten Hauses des Klosters Shide

 

Erfahrungsbericht eines Mitarbeiters

 

Bereits im letzten Frühjahr kam mein guter Freund auf mich zu. Wir teilten uns schon eine Jugend, eine gemeinsame Wohnung mit einem weiteren engen Freund und viele inspirierende Stunden mit hochphilosophischen Gesprächen oder manchmal einfach nur lustigen Momenten. Doch bald sollte es mehr werden als nur das. Bald sollten wir uns auch die Arbeit teilen. Er erzählte mir von einer interessanten und eher unkonventionellen Firma die im ökologischen Hausbau tätig ist und alsbald ein Projekt für buddhistische Nonnen tibetischer Tradition realisieren würde. Das solle im hohen Norden Nahe der Lüneburger Heide stattfinden. Da ich bereits mehrere Jahre auf dem Bau gearbeitet hatte, sowie just dabei war eine Sanierung an einem Haus in Familienbesitz zu vollenden und oben drauf der ökologischen Bauweise sehr zugetan war, hörte ich mir interessiert an was er zu berichten hatte. Alle Rahmenbedingungen hatten sich mir nach dem Gespräch noch nicht erschlossen, ich wusste nur: wir bauen ein Kloster, es wird bio und Lehm ist im Spiel. Von Lehm am Bau hatte ich bereits viel Gutes berichtet bekommen und empfand das gesamte Feld und eben dieses Projekt als überaus spannend und modern.

 

So kam es, dass wir dann im späten Sommer des Jahres 2015 unsere Sachen packten und den weiten Weg auf uns nahmen. In unserem Gepäck befanden sich neben dem ganzen Werkzeug und weniger Baumaterialien auch mehrere Zelte, Schlafsäcke und Decken, einen Gaskocher, Campinggeschirr, eine Reisedusche und etwas Proviant. Niemand hatte behauptet, dass das Projekt nicht außergewöhnlich werden sollte. Drei junge Männer, die sich gerade erst selbständig gemacht hatten, folgten motiviert einem Teamleiter der noch viel motivierter war. Es sollte sich mir erst sehr viel später erschließen was dieser Teamleiter und gleichzeitig sehr guter Freund bereit war zu leisten, für dieses biologisch gebaute Kloster mit viel Lehm. Wie hoch seine Motivation wirklich war, zeigte sich selbstverständlich auch am Tatendrang und am Tempo, das er uns machte, jedoch habe ich sie erst in vollem Umfang verstanden, als ich sah was er darüber hinaus noch für dieses Projekt opferte und leistete. Heute gönnt ihm mein voller Respekt.

 

So machten wir uns an den Bau und an manche Tätigkeiten, die uns selbst zu diesem Zeitpunkt – zumindest in genau dieser Art und Weise – fremd waren. Wir isolierten mit Hanf, mauerten weit über 1.500 luftgetrocknete Lehmziegel ein, verarbeiteten tonnenweise Lehmplatten und Lehmputz, verlegten hunderte Meter Stromkabel und Massivholzparkett. Wir bauten alle Fenster und Türen ein, wir brachten Sockelleisten an, montierten Wandheizelemente, schlossen sie an, wachsten die Bodendielen und strichen mit Lehmfarbe und Lehmstreichputz. Wir bauten Holz-Unterkonstruktionen, errichteten Wände aus Fermacell, verwendeten Kokosstreifen als Trittschalldämmung des Fußbodens und verbrauchten Hanfband und -wolle sowie Zellulose als Isolierung. Wir stellten die Schornsteine auf, montierten unzählige Steckdosen und Schalter und schließlich auch Wohnmöbel. Wir zelteten nebenher und nebenan, wurden bekocht oder bekochten uns selbst und schliefen später in einem benachbarten Reiterhof des beschaulichen Dorfes Lünzen. Der Bau gedieh und gedieh. Es war schön zu sehen wie aus diesem spannenden Projekt ein bezugsfertiges und zugleich sehr gemütliches Wohnhaus wurde. Was nicht so schön war, war zu sehen was es im Detail bedeutete in Deutschland selbständig zu sein. Wie hoch der bürokratische Aufwand dabei ist und vor allem, was für laufende monatliche Kosten da auf einen zu kommen. Mein eigener Unmut über die Selbständigkeit wuchs. Wir hatten bereits anfangs zugesagt, das besagte Klosterprojekt quasi zum Selbstkostenbetrag zu vollbringen. Es waren schließlich mehr als nur die Selbstkosten, jedoch nicht genug um die Selbständigkeit nicht stark in Frage zu stellen. Wir alle leisteten, spendeten und opferten also auch viel für das Projekt. Neben ein paar privaten Sorgen aus meinem näheren emotionalen Umfeld quälten mich die langen Tage mit vielen Stunden, die Distanz von Zuhause, die Erschöpfung und die Angst um die eigene Existenz. Immer wieder machte mir mein Bauleiter Mut. Manchmal als Teamleiter, manchmal als Freund. Und es ging weiter.

 

Auch der Einsatz unserer Bauherrschaft, den ehrwürdigen Damen Thubten Choedroen und Namgyäl Chökyi, wuchs. Es waren sehr viele Detailfragen zu klären, hunderte Fugen mit Lehmputz mühsam zu stopfen, Hanfwolle fein zu verteilen und selbstverständlich immer viel aufzuräumen und zu putzen. Daneben unzählige organisatorische Telefonate, Emails, Schriftverkehr und Einkäufe sowie natürlich fleißige, hungrige Arbeiter die versorgt werden wollten. Der Bau verzögerte sich und es gab Verletzungen – Schnittwunden – und  ständig wechselnde Sorgen. So kamen wir schließlich alle an unsere Grenzen. Nicht die Grenzen des Machbaren, sondern die des entspannt Vertretbaren. Doch der Bau ging mit der Zeit; er gedieh und gedieh. Und es ging weiter.

 

Heute, wo der Bau kurz vor dem Abschluss steht, blicke ich mit einer anderen Sichtweise zurück. Wenn man so will, hat uns der Kapitalismus zusammengebracht. Ein ganz konkreter Auftrag für einen Hausbau stand auf der einen Seite und ich als einer von mehreren Arbeitern auf der anderen. Ich oder zumindest mein Körper sollte Arbeit verrichten und würde dafür entlohnt werden. Nicht reich werden, aber entlohnt. Heute bin ich deutlich reicher als vorher. Reicher an Erfahrung. Die Erfahrungen vom Bau möchte ich nicht missen, aber das was mein Leben wirklich bereichert hat, waren die zwei und später drei Nonnen. Noch nie in meinem Leben habe ich Menschen wie sie kennengelernt. Noch nie. Mir haben sich ganz neue Wege des Daseins erschlossen und ich ertappe mich mittlerweile immer öfters wie ich mich selbst vor einer Entscheidung frage „wie würden Namgyäl, Thubten und Yeshe entscheiden?“. Sprich sie haben Vorbildcharakter für mich. Und ich hatte lange keine wirklichen Vorbilder vor mir. Wir alle oder viele von uns können sie zum Vorbild nehmen und von ihnen und durch sie lernen. Da ist diese unglaubliche Güte in ihnen, das Wohlwollen allen Lebewesen gegenüber, diese fast schon verstörende Ehrlichkeit, das authentische Verhalten, die klare Sichtweise auf die Welt und die Dinge und diese beeindruckende geistige Reife. Sie sind voll von innerer Erfahrung und weltlicher auch.

 

Als ich also sah, was dort vor Ort tolles entsteht und für was für wundervolle Menschen wir das Bauprojekt realisieren, wurde der Lohn immer unwichtiger. Auch alle Menschen die ich aus dem Studium des Buddhismus des Tibetischen Zentrums kennenlernen durfte und vor allem die, die den Verein des Kloster Shide e.V. mit organisieren, hinterließen etwas in mir. Freude im Herzen. Deswegen kam ich jedes Mal, wenn ich zuhause war, gerne wieder zurück und arbeitete die letzten Tage sogar komplett unentgeltlich. Freiwillig und von Herzen gerne.

 

Wir haben uns zu jeder Zeit gut umsorgt gefühlt und haben die Herzlichkeit gespürt, jeden Tag aufs Neue. Wir bekamen Vertrauen, Respekt und Dankbarkeit, wie wir sie von keinem der Bauherren bisher je erleben durften. Und ich nehme etwas ganz wertvolles mit: In mir wächst der Wunsch zu wachsen. Und groß zu werden, wie sie.

 

Abschließend bleibt mir nur zu sagen, dass ich froh bin, sogar glücklich, bei diesem geschichtsträchtigen Projekt dabei gewesen zu sein. Das erste Kloster in Deutschland für vollordinierte Nonnen. Und ich durfte dabei sein. Danke! Sogar der Klosterkatze Bübüsin bin ich dankbar, sie hat mir die Augen für eine neue Sichtweise geöffnet. Danke nochmal an alle! Ich werde mich weiterhin einbringen. In Liebe.

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© Buddhistisches Nonnenkloster Shide e.V.