Ein paar Monate nach dem Einzug in das erste Wohnhaus des Klosters Shide ist nun ein wenig Alltag eingekehrt und wir können erste Erfahrungen mit dem Klosterleben und seinem Tagesablauf sammeln. Morgens und abends treffen wir uns täglich zur gemeinsamen Stillen Meditation und zur Avalokiteshvara-Puja. Daneben gehen wir vielen Dharma-Aktivitäten nach: individuelle Praxis, Teilnahme an Unterweisungen und Retreats, Meditationsabende- und kurse, Übersetzungen, Mantras rollen, Empfangen von Besuchern ... Ganz besonders haben wir uns darüber gefreut, dass wir Drubpön Tsering Rinpoche aus dem Münchener Drikung Garchen Institut und Drubpön Könchog Chödrön in Begleitung des Teams vom Milarepa Retreat Zentrum als Gäste begrüßen durften.
Mit der Wärme des Sommers nimmt nun auch der Außenbereich Form und Farbe an. Rund ums Haus sprießen und mehren sich Blumen, Sträucher und Bäume.
Nach dem beeindruckenden Besuch der Ehrw. Thubten Chodron im April hatten wir Shide-Nonnen im Juni erneut die wunderbare Gelegenheit zu einem Gespräch mit einer außergewöhnlichen, westlichen Bhikshuni und Dharma-Lehrerin: Jetsunma Tenzin Palmo.
Zum Abschluss ihres Mahamudra-Kurses im Rudolf-Steiner-Haus in Hamburg, der von Thubten Choedroen übersetzt wurde, machte sie eindrücklich auf die Lage von westlich-buddhistischen Nonnen aufmerksam. Beim Gruppenfoto rief sie, umgeben von den anwesenden Ordinierten, zur Unterstützung von westlichen Nonnen auf. Während eines zweistündigen persönlichen Interviews konnten wir dieses wichtige Thema vertiefen und uns über unsere eigene Situation mit ihr austauschen.
Ihre Worte waren ermutigend, klar und inspirierend. Sie spricht unverblümt, gibt Ratschläge, pocht auf Autonomie. Unsere Hauptaufgabe im Kloster sieht Jetsunma Tenzin Palmo grundsätzlich im Studieren, Nachdenken und Meditieren ‑ ebenso wie vom Buddha gelehrt. Den Schwerpunkt jedoch sollten wir statt auf Bücherwissen auf die Umsetzung in die Praxis legen und damit nicht zu lange warten. Gerade aus der individuellen Praxis können sich die stabilen Wurzeln für die Gemeinschaft entwickeln.
Jetsunma thematisiert die Schwierigkeiten innerhalb einer Gemeinschaft von westlichen Nonnen, da sie aus bereits „gefestigten Identitäten“ bestehe. Sie appelliert an unseren Respekt vor der Andersartigkeit und Freude über die Unterschiede. Sind wir nicht wie die verschiedenen Facetten eines Diamanten? Wir spiegeln den Dharma unterschiedlich wieder, der Diamant aber ist derselbe!
Unser Individualismus sei auch eine Stärke: Wir sind sehr zielgerichtet, wir wissen, was wir wollen, und haben eine echte Entscheidung zur Entsagung von der Welt getroffen. Entscheidend ist, dass wir uns des Unterschiedes zu den „leichter formbaren“ Nonnen aus den Himalaya-Regionen bewusst sind und nicht versuchen, ein tibetisches Kloster nachzubilden. Es gibt einen Grund, warum wir hier im Westen geboren sind. Spannend, nicht wahr?
Und es gibt noch einen gravierenden Unterschied zu den „Himalaya-Nonnen“. In den letzten 20 Jahren haben diese glücklicherweise große Unterstützung erfahren, ihre Lebenssituation hat sich deutlich gebessert. Die Belange von westlichen, aber auch von Nonnen in tibetischer Robe, die aus anderen Teilen Asiens wie Taiwan, Hong Kong und Vietnam stammen, werden jedoch weiterhin größtenteils übersehen. Diesem Missstand möchten wir auch mit der Gründung des Klosters begegnen. Jetsunma Tenzin Palmo erzählt uns ausführlich von der von ihr mitbegründeten Organsiation „Alliance of Non Himalayan Nuns“, die „Nicht-Himalaya-Nonnen“ unterstützt.
Als Vorsitzende von Sakhyadita International bestärkt uns Jetsunma am Ende unserer wertvollen Begegnung genau wie zuvor auch schon Dr. Rotraut Jampa Wurst, die Vorsitzende von Sakyadhita Deutschland, zur 15. internationalen Sakyadhita-Konferenz im Juni 2017 nach Hong Kong zu fahren und über unser Kloster zu berichten. Mittlerweile sind wir dort mit unserem Vortragsthema angenommen worden und freuen uns auf diesen interessanten und sicherlich bedeutsamen Austausch.
Zudem freuen wir uns auf den Besuch von Seiner Heiligkeit, dem Drikung Kyabgön Chetsang, hier im Kloster Shide. Seine Heiligkeit wird im September im Milarepa Retreat-Zentrum die Drikung-Affenjahr-Unterweisungen geben und in dieser Zeit unser Kloster besichtigen und segnen.
In den nächsten Wochen und Monaten beabsichtigen wir, uns verstärkt der Zukunft des Klosters Shide zu widmen. Wir planen, unsere bestehenden Visionen intern aber auch in Zusammenarbeit mit externen Experten zu diskutieren und weiterzuentwickeln.
Um das Kloster erweitern zu können und damit Frauen ein Leben als Nonne im Westen zu ermöglichen, sind wir auf Spenden für das Nachbargrundstück angewiesen. Mit 50 €/qm kann man Stück für Stück zum Erwerb des benötigten Baugrundes beitragen. Weitere Informationen unter www.betterplace.org/de/projects/37521 oder auf unserer Internetseite www.shide.de.
Wir möchten uns zum Abschluss für das Interesse und die großartige Unterstützung bedanken, die wir von zahlreichen Seiten erfahren! Wir sind sehr froh über die gute Zusammenarbeit mit vielen Laien. Das macht wirklich Mut, das Projekt voranzutreiben.
Mögen alle Wesen glücklich sein und frei von Leid,
mit unseren Gebeten,
Thubten Choedroen, Namgyäl Chökyi und Yeshe Metog
___________________
www.nonhimalayannunsalliance.com
www.sakyadhita.org